Der Stadtsingechor lässt mich nicht los. Soll er auch nicht, denke ich heute.
Station 1
Am 1. April 1964 - also fast gerade eben vor 50 Jahren - habe ich (noch während meines Musikstudiums an der halleschen Universität) meinen ersten Arbeitsvertrag beim damaligen Rat der Stadt, Abt. Volksbildung unterschrieben und wurde Chorinspektor beim Stadtsingechor. Da wir nur zu zweit waren, gab es unter der Leitung von Carlferdinand Zech für mich rundum Arbeit als Korrepetitor, Stimmbildner und Musiklehrer. Ich hatte das erste Mal mit den Sängern zu tun, die 1968 dann in meine Hände gegeben wurden. (Mit einigen Sängern dieser Anfangszeit bin ich noch heute freundschaftlich verbunden.) Es waren wunderbare "Aufbaujahre". Unterlagen habe ich leider nicht aus der Zeit, ein paar Bilder, die an gute Konzerte, tolle Erlebnisse und an Sänger, Sänger, Sänger erinnern … Bild ansehen - Namen nennen, alles klar. Meine Jungs erkenne ich fast ausnahmslos. (Wenn ich doch Listen hätte, sie anschreiben könnte und einige bei mir wieder singen würden!) Ein Bild mag ich besonders: Schauspielhaus Berlin 1985. (Nicht nur) in dem Konzert haben unsere Chorsolisten mit Jochen Kowalski im Duett gesungen!
Schauspielhaus Berlin 1985
Aus meinem letzten "Schuljahr" existieren bei mir "Besetzungslisten", z.B. von unserer Schallplattenproduktion, gestaffelt nach der Literatur: Scheidt / Zachow / Händel. Ein stattlicher Konzertchor. Aber dafür existiert ja sicher eine offizielle Chronik.
1990 war meine Zeit als Chordirektor vorbei. "Warum haben Sie nach 22 Jahren als Chordirektor einfach aufgehört?" fragte mich vor ca. zwei Monaten ein Sänger (Stadtsingechor, Abiturient 2014). Und: "Wir wissen gar nichts über Ihre Zeit als Chordirektor." Meine erste Reaktion: Nanu? Eine Antwort war ad hoc gar nicht so leicht zu formulieren! Begründung war doch damals, dass ich als Chordirektor für diesen Chor nicht gut genug wäre. Soll sich der Fragende selbst ein Bild machen, dachte ich mir. Ich habe auf seine Frage u. a. auf einen Artikel im "Zachow-Magazin" vom Dezember 2013 hingewiesen und auf meine Publikation "Ein lauter Jubelruf erschallt… " in den Francke-Blättern (Heft 2, 1995). Mein zweiter Hinweis: Anhand der CD "Musik aus dem alten Halle" (aufgezeichnet 1989 bei ETERNA, herausgekommen bei BERLIN classics 1995) möge er sich "ein Ohr voll Musik holen" und sich ein Urteil bilden. (Es existiert auch ein Video aus dem Jahr 1985: Schauspielhaus Berlin mit Stadtsingechor - Kreuzchor - Thomanerchor, jeder huldigt "seinem" Komponisten. Qualität frisieren? Unmöglich, Gott sei Dank. Und an die Bravo-Rufe erinnern wir uns auch gern.)
Noch vor einem leeren Blatt (na ja, dem Bildschirm) zu dem jetzigen Artikel sitzend, habe ich meine Ausführungen in den Francke-Blättern, belegt mit Programmen und Presseartikeln, noch einmal gelesen. Vielleicht hat der Leser der heutigen Zeilen die Muße, ihn auch noch einmal in die Hand zu nehmen? Ich gebe zu ich bin stolz auf diese 22 Jahre - mit einem "Weg zu Händel".
Station 2
1990 hatte ich keinen Chor mehr. So gründete ich den kammerchor cantamus halle. Und parallel dazu entstand auf Initiative ehemaliger Mitglieder des Stadtsingechores zu Halle, die nach ihrem Ausscheiden aus diesem Ensemble weiterhin mit ihrer langjährigen Chorleiterin musizieren wollten, der Männerchor bouquet vocalis. (Mitglied des Chorstudios cantamus bis Ende 2013; vgl. www.cantamus-halle.de). Ich konnte und wollte weiterhin auf Sänger bauen, mit denen ich bereits von der 3. bis zur 12. Klasse gesungen hatte, die z. T. aber auch als Komponisten für uns tätig wurden und sind. (Auf dem Bild aus der Universitätsaula sind u. a. Steffen Schleiermacher, Axel Gebhardt und Ralf Schmidt (IC Falkenberg) sehr gut zu erkennen.)
In der Aula der Martin-Luther-Universität
In Halle wären viele "Ehemalige" zu nennen, mit denen ich gern auch heute noch oder wieder musizieren würde, die aber selber komponieren, musizieren, wunderbare Ensembles leiten bzw. in renommierten Chören singen. Wie schön, solche Schüler gehabt zu haben!
Station 3
Auf Grund eines wunderbaren Zufalls standen in einem Konzert der Reihe "Kunst-Stunde bei cantamus" im März d. J. als Gäste Absolventen des Thomanerchores, der Dresdener Kapellknaben und junge Sänger aus dem Stadtsingechor zusammen mit dem kammerchor cantamus halle auf der Bühne der Konzerthalle. Es war ein sehr erfreuliches Musizieren! Aus dieser exzellenten Kooperation hat sich für die nächste Kunst-Stunde ganz logisch ein solistischer Beitrag des Vokalensembles "mehr als 4" (Sänger und Ehemalige des Stadtsingechores - 2014!) ergeben. Wir freuen uns alle darauf.
Kunst-Stunde "Die Königin tanzt"
Konzerthalle Ulrichskirche, 22. März 2014
Foto: Markus Scholz
Für cantamus war das gemeinsame Konzert sozusagen die Initialzündung: Unser Männerchor sucht - zusätzlich zum "Bestand" der cantamus - Stadtsingechorsänger in Tenor und Baß - neue/alte Ehemalige aus "meiner" Zeit und sehr gern auch aus der Zeit zwischen 1990 und heute. Ich gebe unumwunden zu: Ich möchte bei cantamus immer weiter mit Stadtsingechor-Sängern arbeiten.
Aber wie finden? Ich bitte den "geneigten Leser" um Hilfe: Ich suche Sänger aus der großen Schar meiner Jungs (eine andere Vokabel fällt mir in diesem Zusammenhang nie ein), die mich und meine Art zu arbeiten also kennen - und noch einmal mit mir zusammen alte und neue Musik im kammerchor cantamus aufführen möchten.
Die oben erwähnten Besetzungslisten helfen mir leider nicht viel weiter - ich suche, suche, suche ... Können Sie mir helfen? 1) Möglicherweise kennen Sie uns aber auch gar nicht? Wir über uns: Sie finden uns unter www.cantamus-halle.de
Und noch eine Idee: Wenn Sie Hallenser sind (oder in der Nähe wohnen) machen Sie sich ein Bild von uns in der "Kunst-Stunde in der Konzerthalle", 37. Abend am 28. September, 17 Uhr, unter dem Thema "Geflügeltes". Oder bzw. und Sie laden Ihre Hallenser Freunde dazu ein? Über eine große Publikumsresonanz freuen wir uns natürlich sehr.
Sollten Sie sich etwa bei mir melden, erfahren Sie mehr über uns und unsere Musikambitionen.
Fazit:
1. Bis heute lassen mich "meine Jungs" nicht los und nachträglich bedaure ich es jetzt, damals mich nicht gewehrt und die geplanten Protestaktionen der Jungs untersagt zu haben.
2. Los lässt mich auch nicht die Hoffnung für den Stadtsingechor, dass nach einer wunderbaren neuen Aufbauzeit unter Chordirektor Frank-Steffen Elster jemand kommt, der hier nahtlos anknüpft und es nicht wieder einen solchen Einbruch wie nach meinem Rauswurf gibt.
Bildnachweis:
1. Foto (Schauspielhaus): Freigegeben von "Schauspielhaus Berlin, Öffentlichkeitsarbeit", Platz der Akademie, 1086 Berlin
2. Foto (Aula MLU): Werner Schönfeld
3. Foto (Konzerthalle Ulrichskirche): Markus Scholz
(Das ausgestellte Bild auf der Bühne ist von Willi Sitte und heißt: "Die Ungewissheit darunter" - nach Velasquez)
1) Dorothea Köhler, Hallesche Str. 34a, 06198 Salzatal, OT Lieskau; Tel.: 0345-55 11 363, dorothea-koehler@t-online.de