Die Geschichte des Stadtsingechores ist - aus welchem Grund auch immer - verbunden mit manchem künstlerischen Auf und Ab. Ich kann hier an dieser Stelle über eine Zeit berichten, die zum "Auf" gezählt werden kann. Sie war mit Schwierigkeiten gespickt, aber diese Aufwärtsentwicklung ist in Kritiken und mit Klangbeispielen - auch in Fernsehaufzeichnungen und Rundfunkaufnahmen auf Schallplatten oder CD - zu belegen. So kann jeder Leser, so er möchte, sich selbst ein Urteil bilden.
Die Geschichte des Stadtsingechores in dem Zeitraum von 1968 bis 1990 - das sind so viele Begebenheiten, Erlebnisse und Faktoren, daß sie mit einem Griff nicht unter ein Dach zu bringen sind, d.h. sie passen nicht unter ein sehr kleines, gerades, sondern nur unter ein weit ausladendes, geschwungenes, denn das musikalische Gebäude explodierte im Laufe der genannten Zeit geradezu.
Der Stadtsingechor lässt mich nicht los. Soll er auch nicht, denke ich heute.
Station 1
Am 1. April 1964 - also fast gerade eben vor 50 Jahren - habe ich (noch während meines Musikstudiums an der halleschen Universität) meinen ersten Arbeitsvertrag beim damaligen Rat der Stadt, Abt. Volksbildung unterschrieben und wurde Chorinspektor beim Stadtsingechor. Da wir nur zu zweit waren, gab es unter der Leitung von Carlferdinand Zech für mich rundum Arbeit als Korrepetitor, Stimmbildner und Musiklehrer. Ich hatte das erste Mal mit den Sängern zu tun, die 1968 dann in meine Hände gegeben wurden.
„In den Kronen alter Linden rauscht's geheimnisvoll und leise,
in den duft'gen Frühlingswinden klinget hell die Burschenweise:
Halle, alte Musenstadt! Vivat, crescat, floreat!“
Beim Lesen dieser Liedstrophe sieht man als richtiger, ehemaliger oder Wahl-Hallenser doch sofort den Lindenhof der Franckeschen Stiftungen vor sich. Und das bewog mich auch, dieses Lied in den Titel einer CD einzubinden, die, wenn Sie diesen Artikel lesen, gerade in die Endfertigung geht.
Obwohl innerhalb der Feierlichkeiten zum Jubiläum 2016 viel Arbeit für Chor und Chordirektor anliegen, entstand im Herbst 2015 folgender Plan:
„Stimmen aus Halle - für Halle“ erklingen gemeinsam in einem Konzert: (Die jungen) Männerstimmen des Stadtsingechores zu Halle musizieren mit mir und meinem kammerchor cantamus halle in der 42. „Kunst-Stunde bei cantamus“ am 12. März 2016 in der Konzerthalle Ulrichskirche zum Thema „Verleih uns Frieden“ – Glaube und Politik.
In den Francke-Blättern Heft I / 2016 verfasste ich auf Bitten von Herrn Dr. Osterwald einen Beitrag über meine Zeit als Chordirektor des Stadtsingchores („Der kammerchor cantamus gratuliert dem Stadtsingechor zum 900.Geburtstag“). In diesem Artikel sollte ich auch über den Mädchenchor der August-Hermann-Francke-Schule berichten. Aber das entpuppte sich beim genaueren Nachdenken als zu umfangreich und auch viel zu wichtig, um nebenbei behandelt zu werden. Wir verständigten uns auf eine gesonderte Darstellung der Entwicklung des Mädchenchores, und so entstand der nun vorliegende Beitrag, hauptsächlich getragen von Gedanken und Erinnerungen von Sängerinnen, die in den Jahren 1966 -1977 in den Mädchenchor aufgenommen wurden. Unglaublich, was da wieder ins Gedächtnis zurückgerufen wurde!
Die hier vorliegende Betrachtung umfasst den Zeitraum von 1982 – 2004, eher sporadisch als ausführlich und muss als „sehr von außen betrachtet “ akzeptiert werden.
Meine Amtszeit als Leiterin des Chores (von 1968 –1982) konnte ich im Teil I dieses Artikels beschreiben und dokumentieren. Selbstverständlich versprach ich Herrn Dr. Osterwald, auch den weiterführenden Spuren nachzugehen, sozusagen als Mittlerin, weil ich einen Bogen schlagen kann zu Sängerinnen „meines“ ehemaligen Mädchenchores der AHF, mit denen ich heute noch musikalischen Kontakt habe in Verbindung mit meinem kammerchor cantamus halle.
In Vorbereitung dieses Artikels hatte ich darauf gebaut, dass meine Nachfolger eine ordentliche Chronik weitergeführt haben und dass diese auch zugänglich ist. Aber leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wo sich die Chronik befindet, und es war sehr schwer, an konkrete Auskünfte zu kommen. Ich will mich aber trotzdem heranwagen und Stationen und einige wichtige Begebenheiten, die nachweisbar sind, dokumentieren. Kleine „Interviews“ boten mir dazu eine Grundlage.