In den Francke-Blättern Heft I / 2016 verfasste ich auf Bitten von Herrn Dr. Osterwald einen Beitrag über meine Zeit als Chordirektor des Stadtsingchores („Der kammerchor cantamus gratuliert dem Stadtsingechor zum 900.Geburtstag“). In diesem Artikel sollte ich auch über den Mädchenchor der August-Hermann-Francke-Schule berichten. Aber das entpuppte sich beim genaueren Nachdenken als zu umfangreich und auch viel zu wichtig, um nebenbei behandelt zu werden. Wir verständigten uns auf eine gesonderte Darstellung der Entwicklung des Mädchenchores, und so entstand der nun vorliegende Beitrag, hauptsächlich getragen von Gedanken und Erinnerungen von Sängerinnen, die in den Jahren 1966 -1977 in den Mädchenchor aufgenommen wurden. Unglaublich, was da wieder ins Gedächtnis zurückgerufen wurde!
Zwischen 1968 und heute liegen allerhand Jahre. Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass sich das Jahr 1968 bei mir zuerst mit dem Auftrag verbindet, die Leitung des Stadtsingechores Halle (damals noch ohne „zu“ – das haben wir erst später beantragt) zu übernehmen. Aber die Mädchen, die ich sofort genauso fest angefasst und musikalisch gefordert habe wie die Jungs, wurden bald auch zu „meinen“ Mädchen. Wir haben viel gearbeitet, entwickelt, erlebt und erreicht. Deshalb agiere ich mit einigen Absolventinnen bis heute sehr gern in wunderbarer musikalischer Zusammenarbeit, singe und musiziere mit ihnen, plaudere, korrespondiere, philosophiere, und wir haben Spaß. Eine Aussage von Christiane Barth, geb. Kull, habe ich als Motto für den vorliegenden Artikel gewählt: „Singen verbindet und Anstrengung kann auch Spaß machen“.
Die Geschichte des Mädchenchores der August-Hermann-Francke-Schule begann „vor meiner Zeit“. In den Aufzeichnungen von Carlferdinand Zech steht: 1961 gegründet. Und das war ein ganz cleverer Schachzug von ihm! In den Chorklassen - für den Stadtsingechor eingerichtet - waren natürlich auch Mädchen. Was also tun? Mit zwei Chören arbeiten, unabhängig voneinander, mit eigenem Profil. Das schrieb sich Zech auf seine Musikerfahne. Eine meiner Aufgaben ab 1964 als Chorinspektor beim Stadtsingechor war es, „geeignete“ Mädchen zu finden. Das war gar nicht schwer. Aber die ich rief, die Geister… Das zahlenmäßige Verhältnis Mädchen zu Knaben war zunächst sehr mädchenlastig, und so habe ich 1968 neben dem Knabenchor gleich noch einen großen Mädchenchor „geerbt“.
Hier eine korrekte, zusammenfassende Schilderung der Situation durch die damalige Direktorin der August-Hermann-Francke-Schule I, Anni Beyer.
Nach 1949 wurde in der DDR bei der Bildung von Schulklassen darauf orientiert, das gemeinsame Lernen von Mädchen und Jungen in einem Klassenverband zu gewährleisten. Das galt natürlich auch für die AHF, aber dort ergab sich ein besonderer Umstand, der einer Lösung bedurfte: Um den Knabenchor - den Stadtsingechor - zu fördern, wurden Chorklassen eingerichtet. Aber reine Jungenklassen? Das ging nicht. In einem Lösungsprozess kam es zu dem Wunsch, in die Chorklassen gezielt Mädchen aufzunehmen, die – parallel zu den im Knabenchor eingebundenen Jungen – einen eigenen Chor bilden sollten. Dabei war keinesfalls an ein Kopieren des Knabenchores, sondern an ein Erarbeiten eines eigenständigen Profils gedacht. In den halleschen Schulen wurde dafür geworben. Die Leitung beider Chöre hatte damals Carlferdinand Zech und die begonnene Arbeit wurde von Dorothea Köhler ab 1968 weitergeführt.
Ich kam als Direktorin in dieses „Spannungsfeld“ hinein: Bestmöglichste Förderung für alle, dazu den Willen und die Hartnäckigkeit der Chordirektorin, nun auch noch den „Mädchenchor der August-Hermann-Francke-Schule“ zu einem anerkannten Chor in Halle zu entwickeln. (Es gab zu dieser Zeit sehr viele gute Schulchöre in unserer Stadt!) Bald ging es über die Gestaltung von Schulfeiern hinaus, der Mädchenchor gestaltete eigene Konzerte.
Es war gut anzusehen (und anzuhören), wie sich die beiden Chöre parallel entwickelten, jeder mit seinem eigenen Profil, aber wie sie auch bewusst gemeinsam lernten, Chorlager gestalteten und musikalisch arbeiteten, z.B. bei der Aufführung zeitgenössischer Chorliteratur, bei großen musikalischen Projekten wie den Händelfestspielen oder bei Konzertreisen, auch sogar in Verbindung mit der Halleschen Philharmonie.
Erst später, ich war schon lange nicht mehr Direktorin der AHF I, als
der Stadtsingechor sich neben dem Thomanerchor und dem Kreuzchor in eine vordere Reihe der Knabenchöre eingliedern konnte, hatten wir tatsächlich an der AHF I reine Knabenklassen. Und um dem Mädchenchor aber auch eine
weitere gute Perspektive zu gewährleisten, wurde entschieden, dass die Schülerinnen des Mädchenchores geschlossen aus der AHF herausgenommen wurden, um an einer anderen Schule weiter gemeinsam
lernen und singen zu können. (Der Chor sollte und konnte so erhalten werden.) Diese Lösung war gut – für beide Chöre. Ich habe es miterlebt, dass der Mädchenchor seinen 25. Geburtstag feiern
konnte. Dazu wurde in Verbindung mit dem Komponistenverband sogar eine Oper komponiert: „Eulenspiegels Brautfahrt“. (Siegfried Bimberg)
Anni Beyer
(Programm und Kritik - Anmerkung D.K.: „Ein „Ritterschlag“, was Dr. Ursula Herrmann, damals Rezensentin in der Zeitung LDZ – parallel zu drei anderen Lokalzeitungen - über uns äußerte).
Für den Mädchenchor wurde natürlich auch eine Konzeption erarbeitet. Genaueres dazu habe ich erst in meinen Aufzeichnungen ab 1968 gefunden. Eingebunden in die normale Struktur einer polytechnischen Oberschule (Franckeschule I) – aber eben mit dem Stadtsingechor -, lernten die SchülerInnen in gemischten Chorklassen. Jungen und Mädchen wurden durch die Chorleitung des Stadtsingechores insgesamt, aber bewusst in zwei musikalisch unabhängigen Chören geführt. Die geistliche Literatur war dem Knabenchor vorbehalten. Die Mädchen versuchte ich, an weltlichen Kompositionen der Alten Meister, an Liedern der Romantik und Volksliedern zu schulen, um einen guten Klangkörper zu entwickeln. Wie beim Knabenchor wurde aber auch sofort neue und neueste Literatur in die Programme einbezogen. Und bald entstanden auch eigens für den Mädchenchor neue Kompositionen von halleschen Komponisten. Aus einem der schönsten Werke („Erkundungen“ von Siegfried Bimberg nach Worten von Hanna Helling) werden wir in der 45. Kunst-Stunde des kammerchors cantamus halle, in der Absolventen der beiden Chöre mitwirken werden, eine musikalische Erinnerung wach werden lassen.
Auf der Suche nach Mitautoren für den vorliegenden Artikel stand Bettina Kallausch
an vorderer Stelle. „Ein Lied aus Stille….“ hieß die 33. „Kunst-Stunde bei cantamus“ im April 2013, in der sie das Publikum mit Monocord, Didgeridoo, Tambura, Klangschalen und Böhmischer Harfe bezauberte und den kammerchor cantamus auf der Bühne überraschte, indem sie den SängernInnen „aus dem Stand“ Obertöne „entlockte“. Da habe ich vor Aufregung geschwitzt.
Meine E-Mail an Bettina Kallausch:
Liebe Bettina,
ehe wir 2017 wieder in der 45. Kunst-Stunde zusammen Musik machen, bitte ich Dich, mir ein paar Impressionen aus unserer Mädchenchorzeit zu schicken. Musik-Eckpunkte? Aber bestimmt fallen Dir auch ein paar neckische Sachen ein, denn in Verbindung mit Dir gab es auch allerhand lustige Begebenheiten. Du warst ein rechter Kobold. Ich weiß noch, dass ich Dich „entdeckt“ habe: Dein Vater, Kurt Kallausch, Komponist und damals mein Lehrer am Musikinstitut im Fach Schulpraktisches Spiel, stellte mir seine Tochter als Mädchenchor-Anwärterin vor – Musikalität pur.
Antwort I (9.7.16): Der Einfluss der Chorklasse ist ja in der Tat für mein folgendes musikalisches Leben nicht von der Hand zu weisen! Wenn auch dienstags die 0.Stunde (6:45) schon eine Herausforderung war - jedenfalls im Nachhinein...
*Als wir in Litoměřice waren, das muss 1971 gewesen sein, durfte ich beim Ausflug mit dem Pferdewagen neben dem Kutscher sitzen; Klasse!
*Auch erinnere ich mich an einen "musikalischen Besuch im Tierpark", wo ich als „Pony Hopp“ bei der Textstelle „... und wiehert wundervoll" das Wiehern nachmachen durfte. Da sagte mir dann meine Schwester Anette irgendwann mal, dass sie von einem Schüler gefragt wurde: „Du bist wohl die Schwester vom Pferd?"
* Die Erinnerung ans Chorlager auf der Burg Goseck sind eher schmerzlicher Natur: Ich bin aus dem oberen Doppelstockbett auf eine Stuhlkante gefallen - AUAaaa...
Und Deine Musikerlaufbahn?
Antwort II (21.7.16): Liebe Dorothea, die Infos in der Mail waren noch nicht ausreichend?
Ich bin ja immer wieder dankbar für die Chorwurzeln seit der 3.Klasse. Bevor ich 1984 mein Fernstudium im Fach Orchesterdirigieren in Weimar begann[i], gab mir der damalige Chefdirigent vom Gothaer Sinfonieorchester Lothar Seyfarth den guten Tipp, mir zum "Üben" einen Chor zu suchen. In der gleichen Woche stand dann in der Zeitung, dass der Chor vom Klub der Volkssolidarität einen Chorleiter sucht. Nachdem ich mich zum Rosenmontag dort vorstellte, wurde ich gleich von einem sehr netten Tenorsänger zu einem Walzer geführt... 10 Jahre lang habe ich diesen Chor mit viel Inspiration und Freude geleitet, und wir hatten in dieser Zeit sehr schöne Auftritte. Eine Sängerin sagte mir eines Tages mit leuchtenden Augen: "Die Chorstunde ist die schönste Zeit in der ganzen Woche!"
Ich hoffe, Du kannst damit was anfangen?
Liebe Grüße und viel Erfolg bei den nächsten Projekten
Bettina[ii]
Eine Nachfrage noch, Bettina, ich weiß, dass Du Böhmische Harfen baust und dazu Kurse anbietest. Kannst Du eine Zahl nennen?
Antwort: 13
[i] Hornstudium vom 1976-81 Hochschule „Franz Liszt“ Weimar / Hornistin im Staatlichen Sinfonieorchester Gotha, später Landessinfonieorchester Thüringen
[ii] seit 2008 selbständig freiberuflich mit dem „Klanghaus“ in Gotha, seit 2013 in Hann.Münden (http://www.dasklanghaus.de/musik)
Was habe ich in 14 Jahren Mädchenchorleitung alles erlebt! Der Plan und die musikalische Förderung war die eine Seite, aber die Umsetzung brachte allerhand Unwegsamkeiten mit sich: Bei gleichen (An-)Forderungen, wollte und musste alles doppelt bedacht und ausgeführt werden. Die Mädchen hatten auch – berechtigt – gleiche Wünsche und natürlich gleiche Rechte, z.B. hinsichtlich der Durchführung von Chorlagern. Eine Erinnerung an ein Chorlager in Todtenrode: Erst kamen die Mädchen, anschließend die Jungs … Einkaufen, kochen, singen, Trubel „rund um die Uhr“. Beide Chöre gleichzeitig? Auf diese kuriose Idee bin ich nur einmal gekommen, Bad Schmiedeberg bot sich an. Nach dem Chorlager war ich urlaubsreif!
In der gleichen Chorklasse wie Bettina Kallausch war auch Barbara Guhlmann. (Das „wir“ in der Überschrift ihres Beitrages ist symptomatisch, weil ich sofort viele andere Chor-Elternhäuser mit einbeziehe. Davon werde ich noch berichten.)
Wir sind eine Musik- Familie!
Solange ich mich erinnere, hat es in unserer Familie immer Musik gegeben. Alle Kinder lernten mindestens ein Instrument: Mein großer Bruder Bernd Trompete, Norbert Akkordeon, Klavier und Orgel, ich Klavier und Andreas Geige und Orgel. Blockflöte, Xylophon und diese kleinen Dinge waren nebenbei für unsere Kirchenmusikpraxis selbstverständlich. Viele Familienfeste wurden musikalisch umrahmt, die kirchlichen Feiertage sowieso. Unsere Eltern legten großen Wert auf diese gemeinsamen Aktivitäten, was uns Kinder aber, glaub ich, nie als Zwang erschien. (Allerdings muss ich gestehen, dass das Klavierüben für mich dann doch eine lästige Pflicht war, nach 8 Jahren Klavierunterricht bekam ich nur eine „3“ bescheinigt.)
Meine „Musikfamilie“: Als ich damals also mit 8 Jahren in den Mädchenchor aufgenommen wurde, kam auch mein Bruder Norbert in den Stadtsingechor, 5 Jahre später mein kleiner Bruder Andreas[i]. Als dann auch noch mein Vater dem Stadtsingechor beitrat (er bezeichnete sich lange Zeit als „ältesten Knaben Deutschlands“), waren 66,67 % unserer Familie aktiv an der Entwicklung dieser Chöre beteiligt![ii]….
Das Erlebnis, das ich nicht vergessen kann, hing mit dem Vorbereitungsunterricht, der einmal in der Woche nachmittags stattfand, zusammen. Ich musste dafür durch die halbe Stadt laufen oder zwei Stationen mit der Straßenbahn fahren. Weil an diesem Tag sehr schönes Wetter war, ging ich sehr zeitig los und schlenderte den Steinweg entlang. Kurz vor dem Franckeplatz sprach mich ein Mann an, ob ich ihm für 2 Mark einen Gefallen tun könnte. Als er mich in eine Toreinfahrt locken wollte, nahm ich Reißaus! Ich fand das eigentlich nicht schlimm, hatte ich doch noch die Kurve gekriegt und keine Vorstellung davon, was hätte passieren können, immerhin war ich erst 8 Jahre, erzählte es aber doch meinen Eltern, die noch am selben Abend mit mir zur Polizei gingen. Dieses Erlebnis ist vielleicht nicht unbedingt veröffentlichungswürdig. Ich will damit nur sagen, dass es solche Geschichten zu jeder Zeit gab, sie bloß nicht von den Medien breitgetreten bzw. eher unter den Teppich gekehrt wurden. Ist meiner Meinung nach beides nicht richtig.
Im „chorischen“ Gedächtnis geblieben ist mir auch die Tatsache, dass ich einmal in die engere Wahl eines kleinen Soloparts kam. Ich weiß nicht mehr wann und zu welchem Anlass. Auf alle Fälle war die entscheidende Chorprobe gerade zu meinem Geburtstag. Ich versäumte also die Chorprobe (mit Entschuldigung, denn ein „unentschuldigt“ wurde in unserer Familie nicht geduldet) und hatte das Nachsehen, - ein anderes Mädchen bekam das Solo. Sauer war ich schon ein bisschen, aber nur solange, bis der tatsächliche Auftritt kam. Da war ich schon bei dem Gedanken daran, ich müsste vor so vielen Leuten singen, unheimlich aufgeregt. Ich hätte wohl keinen Ton herausbekommen.
Ein Höhepunkt war für mich eine Aufführung von Beethovens Chorfantasie in Berlin. Das muss 1975 gewesen sein, zur Biennale. Es war so überwältigend, auf dieser großen Bühne inmitten vieler Sänger zu stehen und das gewaltige Werk zu singen. Im 2. Teil gab es ein für damalige Verhältnisse sehr modernes Stück von Fritz Geißler. Wir hatten musikalisch so richtig „was drauf“.
Als ich die 10. Klasse verließ, endete auch meine Zeit im Mädchenchor. Wer wollte, konnte in die Robert-Franz-Singakademie eintreten. Aber der Donnerstag war (mit der ganzen Familie) dem Kirchenchor vorbehalten, die Entscheidung fiel dafür. Das musste ich dann mal ganz kurz bereuen: Die Robert-Franz-Singakademie fuhr nach Paris… Meine beste Freundin Elke durfte mitfahren, und ich war ein bisschen neidisch. Ich erinnere mich aber an eine bunte, wunderschöne Bluse, die sie mir mitbrachte und die ich noch lange Zeit während meines Studiums trug.
Weiter: Ausbildung zur Bauzeichnerin, Ingenieurstudium in Dresden, danach 3 Jahre in Halle als Entwurfsingenieur und Lehrausbilder für Bauzeichner, Umzug ins Vogtland, nach der Wende - aus heutiger Sicht ein ziemlich naiver Traum - eine eigene kleine Gaststätte, mit sehr arbeitsintensivem Kampf um unseren Lebensunterhalt. Seit 2004 betreiben wir ein Landhotel an der Talsperre Pöhl.
Musikalisch habe ich mal kurzzeitig einen Trip in die Volksmusik gemacht. Allerdings hatte ich doch durch unsere musikalische Erziehung eine andere Vorstellung von der Qualität der Musik, sodass das nicht ganz das war, was mich glücklich machte.
Meine erste Erinnerung an meine Laufbahn im Mädchenchor der AHF: Ein Fräulein und ein Herr kamen in unsere Klasse 2 der Ernst-Schneller-Oberschule… Wir sollten vorsingen! Ich erinnere mich deswegen so genau, weil ich zusammen mit Olaf Bauermann[iii], einem der besten Schüler unserer Klasse „Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn“ singen musste. Dieses Lied hatten wir gerade im Musikunterricht gelernt, und wir beide passten wohl auch figurmäßig außerordentlich gut dazu. Ob es unsere Stimmen oder eben dieses Arrangement war, was uns beide für eine Aufnahme an der AHF qualifizierte, kann ich nicht sagen. Jedenfalls hatte ich mit dieser „Nudeldicken Dirn“ ein Leben lang zu kämpfen. Aber ich glaube, ich habe keine bleibenden psychischen Schäden davon getragen, zumal meine Schulzeit an der AHF und im Mädchenchor eine schöne Zeit war.
Barbara Sauerwein, geb. Guhlmann
[i] Die beiden „Guhlmänner“ gründeten später das A-cappella-Ensemble cantus firmus
[ii] Die Familie Guhlmann war „Eine feste Bank“ für mich und den Stadtsingechor! Und Spaß hatten wir auch immer, beim Singen sowieso, mal beim Frühschoppen oder im Chorlager des Knabenchores, als sich Vater Erhard in Ermangelung von Mädchen beim Squaredance kurzentschlossen ein Kreppröckchen „umschnallte“.
[iii] Das gemeinsame Musizieren fand seine Fortsetzung z.B. im Mädchenchorkonzert am 28.11.1971, in dem Olaf Bauermann, Andreas Harbart und Uwe Surma als Knabensolisten mitwirkten. Am Klavier: Dieter Streithof , im Programm u.a. „Lindenstämmchen“ (Gustl Reidock), „Bitte der Kinder“ (Paul Dessau), „Der Mond ist aufgegangen“, „Der Abend deckt sein blaues Tuch“ (Siegfried Bimberg) und „Wir entdecken unser Land“ (Siegfried Bimberg)
2016 - 900 Jahre Knabenchor - und wir waren auch dabei
Sabine Reiher und Brigitte Freiburghaus
An der August- Hermann-Francke-Schule I gab es für musikalisch interessierte und begabte Schüler eine Chorklasse. Von der dritten bis zur achten Klasse sangen die Mädchen im Mädchenchor und die Jungen im Knabenchor (Stadtsingechor). Schulalltag und Freizeit waren geprägt durch die Musik. Mit viel Liebe und Geduld wurden wir an die Musik der Vergangenheit und Gegenwart herangeführt, erhielten Einblicke in Harmonielehre, Notenkunde und Stimmbildung. Konzertbesuche, Chorlager, Reisen und Chorauftritte gehörten zu den Höhepunkten unserer musikalischen Ausbildung. Neben musischen gab es hier jede Menge spannender Erlebnisse und so manche lustige Story.
Wir erlebten unsere Heimatstadt so viel intensiver mit ihren reichen kulturellen musikalischen Angeboten, die Werke Hallescher Komponisten aus Vergangenheit und Gegenwart über die Beschäftigung mit deren Werk und auch durch persönliche Begegnungen. Was gleichaltrige Schüler anderer Klassen über Komponisten, Instrument, Noten, Gesang kennenlernten, stand in keinem Verhältnis zu dem reichen Schatz, der uns hier übergeben wurde. Zum Repertoire der Konzerte des Mädchenchores gehörten u.a. moderne Kantaten und Liedsammlungen von Komponisten und TexterInnen, die die Entwicklung des Chores viele Jahre begleiteten. So waren eine sehr enge Verbindung zur Musik und ihrer Entstehungsgeschichte und auch die Aufregungen zu Premierenkonzerten in unseren Alltag integriert.
Für einige unserer damaligen Mitschüler wurde die Musik zum Beruf. Das ist bei uns nicht der Fall. Als Begleiter im Alltag möchten wir allerdings musikalische Erlebnisse nicht missen.
Brigitte Freiburghaus geb. Beyer
Als Mutter zweier Kinder und stolze Oma bin ich sehr froh, meinen Enkeln von spannenden Erlebnissen im Chor berichten zu können. Mein Enkel Mads wird nicht müde, mit mir das Lied vom Regenwurm aus der Tierliederfolge „Besuch im Zoo“ von Hans Sandig in allen möglichen Tonlagen zu singen. Händels Halleluja begleitet mich durch die Weihnachtszeit und ein wenig Klaviermusik wird auch heute noch zu Hause gespielt. Mein Sohn Max spielt wunderbar Klavier und heute erhalte ich Einladungen zu seinen Chorkonzerten.
Sabine Reiher geb. Janiszewski
Ich habe 10 Jahre im Heinrich Schütz Chor Gera gesungen, jetzt singe ich in Altenburg in der Kantorei der Brüderkirche, da haben wir im November das Brahmsrequiem gesungen und im Dezember natürlich das Weihnachtoratorium. Ansonsten singe ich überall mal mit, im Kammerchor Böhlen oder im Chor meines alten Chorleiters, der in die Nähe von Marburg gezogen ist. Meine Tochter Anne lebt in Norwegen und singt dort auch im Chor. Als sie noch in Leipzig gelebt hat, hat sie im Unichor gesungen, sie ist eine echt tolle Sängerin. Das Singen prägt sowohl mein Leben als auch das von meiner Tochter.
So setzt sich die Begegnung mit der Musik in den folgenden Generationen fort.
Brigitte und Sabine sangen, Einstieg Klasse 3c im Jahre 1967, schon bei Carlferdinand Zech gemeinsam in einer Chorklasse, die einen Chorleiter schon in helle Freude versetzen konnte! (In der gleichen Klasse waren u.a. auch Viola-Bianca Winkelmann und Karin Kitzing). Auf dieser Basis konnte ich beginnen, einen leistungsfähigen Chor zu erziehen. Es war eine tolle Zeit, als der Mädchenchor rasant an Qualität zulegte. Man konnte sie fordern. In „meinen“ beiden Chören fing es an, so richtig vorwärts zu gehen. Als man uns dann immer öfter zu großen Konzertvorhaben hinzuzog (heute würde man sie „ Events vom Feinsten“ nennen), wurde alles noch viel interessanter. Stress pur war auch angesagt – man kann es auch aus einigen Beiträgen herauslesen – z.B. mit unserem GMD[i] Olaf Koch, der damals mein Chef in der Halleschen Philharmonie war. Dieses „Geschehen“ potenzierte sich, als der GMD auch noch mein Lehrer an der Musikhochschule Leipzig - Studium Orchesterdirigieren - wurde. Höhepunkt waren die anderthalb Jahre, in denen ich (O-Ton Olaf Koch: „Abends hast du ja noch keinen Chor“) auch noch interimsmäßig die Robert-Franz-Singakademie leiten „durfte“. Es gab schon Tage, an denen ich nach der Probe in den Franckeschen Stiftungen ins Taxi sprang, um nicht den Anfang meiner Singakademie-Probe in der Gosenstraße zu verpassen.
Für den GMD war der Zustand nicht schlecht: Es gab nur einen „Ansprechpartner“ in Bezug auf die Einstudierung von drei Chören[ii]. Umgekehrt habe ich unheimlich viel gelernt bzw. auch lernen müssen, und habe viele meiner Mädchen auch gleich mit zur Robert-Franz-Singakademie genommen. Einige singen noch heute dort. Das tollste gemeinsame Erlebnis war, dass ich - zu dieser Zeit als verantwortlicher Chordirektor der Halleschen Philharmonie - im Jahr 1975 (!) gemeinsam mit einigen meiner sehr jungen Sängerinnen in Paris beim Pressefest der „L`Humanité“ Händels „Friedensode“ gesungen habe.
[i] Generalmusikdirektor
[ii] In diese Zeit fiel u.a. die UA von Geißlers VIII. Sinfonie und Hohensees „Bauernkriegsoratorium“
Aus einer E-Mail vom 14.07.2016 von Sabine Reiher, geb. Janiszewski. Sie war in Paris dabei:
Ich habe aus der Zeit im Mädchenchor und später in der Robert-Franz-Singakademie so viel für mein weiteres Leben mitnehmen können, sowohl musikalisch als auch " lebenstechnisch", wenn man das so sagen kann. Disziplin, Aufmerksamkeit, Konzentration und die Freude an der Musik sind nur einige Punkte, die Du uns Mädchen mit auf den Weg gegeben hast.
Ich habe nie aufgehört zu singen … und denke manchmal in der Probe an Dich und Wolfgang Unger, wenn meine Mitsängerinnen auf den Stühlen lümmeln, die Noten auf den Knien liegen haben … naja, die hatten eben nicht so gute Lehrer, wie ich sie hatte!
Im Juli 2016 bin ich mit meinem Mann nach Rottdorf zum Eröffnungskonzert der „Stadt- und Dorfkirchenmusiken im Weimarer Land“ gefahren, organisiert von Viola-Bianka Kießling, geb. Winkelmann. Herzlich haben wir uns umarmt. Ihre hier folgenden Eindrücke „in Sachen Mädchenchor“ haben mich zugegebenermaßen sehr berührt. Da waren mir doch Details entfallen.. .
1967 – 2017
50 Jahre - mit der Musik leben und kein Ende
1967 wechselt ein bis dahin als musikalisch unbegabt geltendes Mädchen die Schule. Ab diesem Jahr führt sie der Weg in die AHF I - in die Franckeschen Stiftungen - in eine Chorklasse. In eine Chorklasse? Das ist doch wohl der Witz schlechthin, denn mit Musik hatte sie bisher nicht viel am Hut, hörte häufig - du kannst ja nicht mal deine Stimme halten! - und ihre beste Freundin kommt auch nicht mit. Lohnt sich das dann überhaupt? Wolfgang Köhler und Carlferdinand Zech sind sich jedoch sicher, dass der Versuch unbedingt gestartet werden soll. Na gut, dann kann man das ja mal angehen! Dass Musik so viel Freude machen kann, war ihr zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen unbewusst. Und es macht Spaß, von Tag zu Tag mehr! Mit dem Schulwechsel beginnt auch die Ausbildung am Georg-Friedrich-Händel-Konservatorium im Fach Klavier. Musik überall da, wo sich dies bisher eher als geringfügige Beschäftigung bezeichnen ließ, das kann entweder gewaltigen Elan und Schwung erzeugen oder eine große Enttäuschung werden. Was soll ich sagen - es wurde zum großen Schub. In der Gemeinschaft zu singen, bei Kantaten die Texte zu sprechen, in großen Kirchen und Konzerthallen vor dem Publikum zu stehen, später den Mädchenchor auf der Chorreise nach Tschechien auch am Klavier zu begleiten, das ist eine ganz neue Welt, die sich da step by step eröffnet. Und noch heute schießt ihr bei der Autofahrt zum Sohn, der in Halberstadt Kapellmeister, Solorepetitor und Assistent des Musikdirektors ist, und seiner Musical singenden und darstellenden Frau der Text: „Wie sind die Berge sonderbar, öd‘, grau und unbewachsen…“ durch den Kopf. Die vorbeiziehende Landschaft erinnert an die Aufführung der Kantate „Wir entdecken unser Land“ von Siegfried Bimberg und Hanna Helling. Helling - dieser Name wird zum Synonym einer großen Veränderung. Aber nicht Hanna, sondern Dorothea ist es, die das junge Mädchen fordert und fördert. Dorothea, die bald Köhler heißt, verlangt viel, ist äußerst kritisch und in ihrer Chorleitung unschlagbar durch eine besondere Mischung aus Genauigkeit und Musizierfreude. Und das strahlt auf die junge Sängerin aus. Vom großen Chor kann sie in den Kammerchor wechseln, geht später in die Robert-Franz-Singakademie und hält dem Mädchenchor auch zu EOS-Zeiten weiterhin die Treue. Die Musik ist zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden!
Dann kommt der entscheidende Moment - sie entscheidet sich für ein Studium der Musikwissenschaften in Berlin, wofür eine umfangreiche Aufnahmeprüfung notwendig ist. Gemeinsam mit Dorothea, mit der sie sich mittlerweile duzt, verbringt sie viele Stunden am Flügel, wo sie sich gegenseitig Akkorde und Melodienfolgen vorspielen und das Gehörte notieren, denn Dorothea bereitet sich zum gleichen Zeitpunkt auf ihre Orchester-Dirigierprüfung in Leipzig vor. Gemeinsam schulen sie ihr Gehör und meistern das Prüfungsfieber. Und natürlich bestehen beide ihre Prüfung mit hervorragendem Erfolg! Die junge Sängerin ist jetzt Studentin der Musikwissenschaften an der Humboldtuniversität zu Berlin bei Prof. Rienäcker und Prof. Brockhaus. Sie entscheidet sich für die Spezialrichtung Musiktheater und wird im Apollo-Saal der Lindenoper mit ihrer dramaturgischen Sicht auf die Aufführung einer Händeloper an das Theater nach Altenburg vermittelt. Hier findet sie ihren Mann, den Musikalischen Oberleiter und Kapellmeister, und gründet mit ihm eine Familie. Es folgen ein Engagement am Deutschen Nationaltheater in Weimar, beim Landesmusikrat Thüringen mit der Verantwortung für die Landesensembles und später eine Stelle als Referentin für Musik und Heimatpflege im Landratsamt Weimarer Land. Hier gestaltet sie „ihre“ Kirchenkonzertreihe, einen Jugendmusikwettbewerb, die „Lange Nacht der Museen“ und betreut unterschiedlichste Projekte von Chören, Heimatvereinen, Ortschronisten und der Musikschule. Auch aus ihren Büchern über Orgeln und Glocken der Region spricht die Liebe zur Musik! Für das Glockenbuch kann sie 2013 den „Ur-Krostitzer-Jahresring“ entgegen nehmen.
„Ihre“ Stadt- und Dorfkirchenmusiken 2017 werden von einer Mittelalter-Rockband aus Osnabrück eröffnet, in der ihre Tochter als Geigerin verankert ist. So ist das mit den Äpfeln und Stämmen!
Und alles fing 1967 in Halle an der Saale im Mädchenchor der AHF an, wo eine bis dahin als musikalisch unbegabt geltende junge Dame auf eine resolute und musikalisch ungemein beeindruckende Chorleiterin traf!
Viola-Bianka Kießling, geb. Winkelmann
Ein Glücksfall!
Es war im November 1968. Ich zog mit meiner Mutter und meinen zwei großen Schwestern von einem kleinen Dorf zwischen Halle und Leipzig nach Halle an der Saale. Eine ganz schön große Umstellung für ein gerade 10 Jahre alt gewordenes Dorf-Mädchen. Alles war größer und lauter. Vor unserem neuen Zuhause in der damaligen Philipp-Müller-Straße war eine Straßenbahnhaltestelle – so ein Krach!
Da es schulmäßig so schnell wie möglich weiter gehen sollte, Dorfkinder hinken sowieso hinterher, machten meine Mutter und ich uns auf den Weg zur nächsten Schule, um mich dort anzumelden. Die nächste Schule, wegmäßig, war die August-Hermann-Francke-Schule I in den gleichnamigen Franckeschen Stiftungen. Im Sekretariat trafen wir auf eine nette Sekretärin, Frau Voß hieß sie - glaube ich. Frau Voß teilte uns mit, dass ich leider in die Goetheschule müsste, obwohl der Weg dorthin weiter für mich wäre. Aber das war wohl von der Stadt so festgelegt. Ich wollte aber in diese Schule gehen und nicht in die weiter entfernte Goetheschule. So bettelte meine Mutter, ob ich nicht doch hier bleiben könne. Die Sekretärin erklärte uns, dass alle Klassen voll sind und es keine Möglichkeit gibt mich unterzubringen. Meine Mutter blieb aber hartnäckig und irgendwann wurden wir gefragt, ob ich denn ein kleines bisschen singen könne, da nur noch in der Chorklasse was frei wäre. Ich jubelte, denn ich sang für mein Leben gern. So kam es, dass ich im November 1968 in die 4. Klasse der Chorklassen aufgenommen wurde – meine Chorleiterin war Frau Dorothea Köhler.
Es waren wundervolle Jahre. Bis zur 10. Klasse (1975) sang ich im Mädchenchor der AHF I.
Der Wechsel zur Robert-Franz-Singakademie: Wir, als Mädchenchor der AHF I, waren auch Nachwuchschor für die Robert-Franz-Singakademie. Wer wollte, konnte bei Frau Dorothea Köhler vorsingen, um die Erlaubnis für den Wechsel zu bekommen. Wieder half mir der Zufall, denn eigentlich wollte ich mit dem Singen aufhören. Einer Freundin zuliebe ging ich jedoch mit zum Vorsingen und schaffte es auch. Also ging ich zu den ersten Proben mit zur Singakademie. Auf dem Probenplan stand das Requiem von Giuseppe Verdi. Ein tolles Werk, was mich begeisterte, und so blieb ich bis zum Studium im September 1977 bei der Singakademie. Das Singen ließ mich nicht los.
Während meines Studiums im heutigen Chemnitz sang ich dort in der Singakademie weiter.
Zurück nach Halle verlor ich das Singen jedoch aus den Augen. Andere Dinge wurden wichtiger.
Chorstudio cantamus:1993 traf ich in der Stadt meine ehemalige Chorleiterin, Dorothea Köhler, wieder. Sie erzählte mir von ihrem Projekt: Chorstudio cantamus. Ganz spontan fragte sie mich, ob ich nicht Lust hätte wieder mitzusingen. Obwohl ich eine Familie hatte und zwei kleine Kinder, sagte ich gern zu. Ein besonderer Höhepunkt während dieser Zeit war eine Konzertreise nach Frankreich. In Metz sangen wir die Passion „Der Tod Jesu“ von C. H. Graun. Ein unvergessliches Erlebnis! Aber auch die Kunst-Stunden - Konzerte, die immer unter einem bestimmten Thema standen/stehen - waren erlebnisreich. Singen machte wieder richtigen Spaß.
1998 habe ich mich vom Chorsingen verabschiedet. Mein Mann musste zur Arbeit in ein anderes Bundesland und war nur noch an den Wochenenden zu Hause. Ich war mit meinen beiden Kindern die Woche über allein, und wir freuten uns auf die gemeinsame Zeit an den Wochenenden. Doch gerade an den Wochenenden waren die Konzerte und Chorlager. Hier war mir die Familie wichtiger...
Für den März nächsten Jahres habe ich die Einladung von Dorothea Köhler gern angenommen, mit ehemaligen Absolventen des Stadtsingechores und des Mädchenchores der August-Hermann-Francke-Schule I bei der 45. Kunst-Stunde 2017 dabei zu sein. Ich freue mich schon auf das gemeinsame Singen und das Wiedersehen nach so vielen Jahren.
Karin Strowick, geb. Kitzing
In Vorbereitung eines Konzertes mit Ehemaligen aus den Chören cantamus, Stadtsingechor und Mädchenchor der AHF erreichte ich über Bettina Kallausch ihre Schwester Anette und bat sie, mir Fragen zu beantworten. Sofort kam per E-Mail:
„… Im Mädchenchor der AHF war ich von Januar 1969 -1976. Es hat mir sehr großen Spaß gemacht. Mir haben die Chorproben bei Ihnen immer sehr gut gefallen. (In die Schule ging ich dafür nicht so gerne.) Sowohl beim Vom-Blatt-Singen als auch im Theorieunterricht im Studium profitierte ich mächtig vom Chor. Das gleiche gilt auch für den Liederschatz.
Studiert habe ich Horn und war in Magdeburg und Dessau als Hornistin tätig. Ob ich auch noch musiziere, fragten Sie. Ja, in einem guten Kirchenchor (mit einigen Berufsmusikern) sang ich bis vor ein paar Jahren. Allerdings singe ich in meinem Beruf fast täglich, denn neben Horn-, Blockföten- und Klavierunterricht gebe ich auch Eltern-Kind-Kurse, bei denen viel gesungen wird. Neu: Klavierunterricht an der Anna Magdalena Bach Akademie in der Grundschule für angehende Thomaner – welch ein schöner Bogen!
Was fällt mir noch spontan ein? Eine Konzertreise nach Litoměřice, das Chorlager in Todtenrode – und toll war es, im Löwengebäude singen zu dürfen. Ja, und musikalische Erinnerungen? „Setzt ich mir ein Bäumchen“ – ein zauberhaftes, berührendes, ernstes Lied – ich finde es heute noch sehr schön, und dann spukt mir noch ein Text im Kopf herum (aus welchem Werk?): „prassen Herrn und Knappen, muß der Bauer berappen, Bauer zahl’s… Das schlägt dem Fass den Boden aus…“ - es war in einer Kirche mit vielen Sängern und der Philharmonie[i]…
Ja, ich werde in meinem Terminkalender den 18. März 2017 freihalten für ein bestimmt tolles Treffen mit Ehemaligen – wenn nicht ein Termin des Landeswettbewerbes „Jugend musiziert“ (Sachsen-Anhalt) Vorrang haben muss. Ich war schon mehrfach als Jurymitglied für das Fach Horn zuständig.
Annette Heimbach, geb. Kallausch
(Foto: Stephan Brosch? - aus der Festschrift der Halleschen Philharmonie und der August-Hermann-Francke-Schule: 860 Jahre Stadtsingechor Halle, 15 Jahre Mädchenchor)
September 1969 - Beginn einer erfolglosen, allerdings auch nicht unbedingt gewollten und doch glücklichen „Karriere“ als Chorsängerin des Mädchenchores der AHF
Warum ich in die Klasse 3c der August-Hermann-Francke-Schule eingeschult wurde – ich kann mich nicht mehr erinnern. Meine Mutter, im damaligen Kreiskabinett für Kulturarbeit tätig und immer in allen Bereichen der Musik unterwegs, hatte sicher einen großen Anteil daran.
Ich glaube, ich konnte nie gut singen, sang aber immer gerne! Die hinteren Platzierungen in den regelmäßigen Prüfungen belegten auch die Qualität meiner Sangeskünste. Das deprimierende Gefühl beim Blick auf die Auswertungslisten kann ich heute noch spüren und es war auch immer „ganz schön Bammel“ vorm Vorsingen dabei. Aber ich denke, das hatten die anderen auch.
Stimmbildner und Musiklehrer gaben sich alle Mühe mit uns. In den Kammerchor hab ich es nie geschafft. Andere, die da drin waren, wissen heute auch nicht mehr, wie sie es geschafft haben. Die Einschätzung unserer eigenen Fähigkeiten war wohl doch sehr unterschiedlich.
Die Gemeinschaft der Chorklasse, die wiederum Teil eines großen Ganzen war, ließ mich oft vergessen, dass ich nicht zu den begnadetsten Sängerinnen gehörte. Aber es hat Spaß gemacht. Und vielleicht haben es die anderen ja gar nicht gemerkt. Und wenn ich heute mit Freundinnen von damals über diese Zeit rede, sind es positive Erinnerungen - über den Spaß am Singen, am gemeinsamen Erleben von großen Ereignissen wie Händelfestspiele, Konzertreisen und das Kennenlernen von Austauschchören. Chorlager waren anstrengend, aber Klasse. Ein bisschen wie Ferienlager, aber mit viel Arbeit und auch Strenge und einem Ergebnis! Man lernte schon zeitig, Qualität musste eben auch erarbeitet werden. Und Disziplin und die Perfektion und Leidenschaft von Dorothea gehörten eben auch dazu. Genauso wie ihre Lieblingsfarbe LILA!
Mich haben vor allem die Proben mit dem Orchester der Halleschen Philharmonie stark begeistert. Wir Mädels gehörten zu diesem großen Musikkörper dazu und durften und mussten die Hochs und Tiefs des Generalmusikdirektors ertragen/ erleben. Das war immer ganz schön spannend, wie man heute sagen würde. Irgendwie fühlten wir uns aber auch besonders…
Ich hatte die Möglichkeit, die Verschiedenartigkeit von Musik kennenzulernen, um später zu wissen, welche Richtung ich mag und welche nicht. Durch die Chorknaben in unserer Klasse wurde musikalisch unser Horizont noch erweitert, da deren Musik ja noch spezieller war. Natürlich wäre das Leben ohne „unsere Jungs“ auch nur halb so schön gewesen, was wir damals natürlich nicht zugegeben hätten. Interessierte Blicke zum „Männerchor“ waren nicht unüblich. (Und in unserer Klasse „tummelten“ sich mehrere Solisten des Stadtsingechores.)
Heute singe ich (leider) nicht mehr (öffentlich), nur gelegentlich unter der Dusche. Aber hätte mich mein Studium damals nicht aus Halle „entführt“, wäre ich vielleicht heute noch, wie einige Sangesfreundinnen von damals, Mitglied der Robert-Franz-Singakademie oder ich hätte mich von Dorothea abwerben lassen. Aber so genieße ich Chor- und andere Konzerte aller Art als Zuhörer, z.B. auch die von Falkenberg (Ralf Schmidt), mit dem wir ja in einer Klasse aufgewachsen sind (er war im Stadtsingechor) und in dessen Konzerten man durchaus auch auf Dorothea trifft.
„Irgendwo“ vor– oder mitzusingen, dazu sind heute nach so langer Zeit die Hemmungen zu groß (und richtig Noten lesen kann ich sicher auch nicht mehr).
Es ist gut, dass es den Stadtsingechor noch gibt, dessen Fortbestand und hohe Qualität bis zur Wende ja maßgeblich in Dorotheas Händen lag. Er ist in der Kulturlandschaft unserer Stadt allgegenwärtig und immer verbindet sich sein Name bei mir mit Erinnerungen an acht Jahre im Mädchenchor der AHF. Mitschüler meiner Tochter singen in diesem Chor und manchmal scheint die Vergangenheit ganz nah.
Leider sind meiner Ansicht nach dieser Teil der Historie der beiden Chöre und die künstlerischen Verdienste von Dorothea Köhler in der öffentlichen Wahrnehmung sehr gering.
Viele Erlebnisse sind nicht mehr abrufbar nach so langer Zeit. Geblieben ist bei mir die Liebe zur Musik in all ihren Facetten und das aktive Interesse an der vielfältigen Kultur in meiner Heimatstadt, sowie Bekanntschaften und Freundschaften, die seit Jahrzehnten bestehen.
(Es gibt auch Leute, die sind in Sachen Kultur weniger unterwegs – da rühre ich natürlich kräftig die Werbetrommel, denn nichts ist trauriger, als ein leerer Konzertsaal.) Meine Mutter hat mir ihr Musikinteresse mit auf den Weg gegeben und es ist durch die unvergessliche
Gemeinschaft im Chor weiter gefördert worden. Meine Erinnerungen gebe ich nun an meine Tochter weiter und glaube nicht ohne Stolz sagen zu können, dass dies vielleicht schon auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Auch wenn sie genauso „nicht besonders gut“ singen kann wie ich, liebt sie die Musik und beschäftigt sich aktiv mit ihr.
Ich wünsche Dorothea und „ihren Sängern“ noch eine ganz lange Zeit, in der sie ihren musikalischen Geist bei bester Gesundheit für viele Freunde der Musik und vor allem für sich selbst ausleben kann.
Alles Gute wünscht
Andrea Rust
Höhepunkte ergeben sich oder müssen „geschaffen“ werden. Der Stadtsingechor wie auch der Mädchenchor war „auf einem guten Weg“, wie sich ein Journalist ausdrücken könnte. Das Jahr 1976 bot uns aber einen doppelten Anlass: 860 Jahre Stadtsingechor (zugegeben, eine etwas ungerade Zahl, aber bis zum 875. Geburtstag warten?) und der Mädchenchor hatte 15. Geburtstag.
Zum Gemeinschaftskonzert der beiden Chöre in der Konzerthalle Ulrichskirche Halle erschien eine Festschrift mit Grußbotschaften (Stadträtin für Kultur Isolde Schubert, Stadtrat und Stadtschulrat Rudi Bitterlich, GMD Prof. Olaf Koch) und auch einem Beitrag von Günter Burre, Direktor der POS August-Hermann-Francke, aus dem ich zitieren möchte: „…Wir fühlen uns als Schule ganz einfach verantwortlich für die Arbeit unserer beiden Chöre. Dennoch treten durch die intensive Probenarbeit und Konzerttätigkeit für unsere Schüler erhebliche Belastungen auf, und es bedarf seitens der Lehrer und der Chorleitung einer engen Zusammenarbeit, damit unsere Choristen keine Schwierigkeiten in der Lernarbeit bekommen. Diese Zusammenarbeit wird dadurch erreicht, dass die Chorleitung mit zum Pädagogenkollektiv der Schule gehört. Den Erfolg dieser Zusammenarbeit sehen wir in den guten und sehr guten Leistungen unserer Chorschüler. Die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Lehrer wird aber auch sehr stark durch den Chor unterstützt, da die Schüler durch ihre Freizeitgestaltung mit zu einem kollektiven und disziplinierten Verhalten erzogen werden. Ebenso wird ihnen im Chor ein sehr starker Leistungswille anerzogen…“
Hier noch ein Beispiel für unsere immer etwas „aus der Rolle fallende“ Literaturauswahl für Fest- und Feiertage (da schauten manchmal meine Vorgesetzten verblüfft – aber: das Konzert lief). Im Festkonzert zum 25. Geburtstag der Pionierorganisation sang der Kammerchor des Stadtsingechores von Horst Irrgang „Von Reh und Fuchs und anderen Tieren im Walde“ und der Mädchenchor Kurt Schwaens äußerst beliebte (und vom Chor geliebte) szenische Kantate „König Midas“.
„Rotlackiert mit schwarzen Punkten....“ - einige Erinnerungen aus meiner Zeit im Mädchenchor der POS August-Hermann-Francke
Die Chorklassen der POS August-Hermann-Francke aus den 70er und 80er Jahren und natürlich auch später, sind bekannt und berühmt für ihre Sänger, die im Stadtsingechor auftraten. Weniger bekannt ist vielleicht der Mädchenchor der POS August-Hermann-Francke, der in den siebziger Jahren bis in die achtziger Jahre parallel von der Chordirektorin Dorothea Köhler geleitet wurde und der sowohl eigene Konzerte bestritt, aber auch in viele Konzertaufführungen des Stadtsingechors eingebunden war.
Die c-Klassen der POS AHF nahmen nämlich sowohl Jungen wie auch Mädchen aus dem Gebiet der Stadt Halle auf, die musisch interessiert und begabt, stimmlich geeignet, aber auch fachlich leistungsstark waren, um die zusätzlichen Anforderungen einer intensiven Chor- und Musikausbildung neben dem normalen Schulalltag, an dem keine Abstriche gemacht wurden, zu meistern.
Meine Mutter, die selbst Lehrerin an der Steintorschule in Halle war, fand wohl, dass ich neben dem Klavierunterricht, den mir meine Eltern seit der ersten Klasse ermöglichten, auch noch stärker musisch ausgebildet werden sollte und so war sie es, die mich im zweiten Schuljahr zu einem Gespräch und zum Vorsingen in die Francke-Schule brachte.
So traf ich dann im obersten Stockwerk des Gebäudes, wo sich die Aula für die Chorproben und der Unterrichtsraum für Musik befanden, das erste Mal Dorothea Köhler und ihren damaligen Mann Wolfgang Köhler, die sich mir und den anderen Kandidaten für die Klasse sehr freundlich zuwandten. Dorothea Köhler, schon damals modisch extravagant, trug lange schwarze Lackstiefel, die mich wohl beeindruckt haben mussten, denn beim anschließenden Vorsingen fiel mir spontan nur das Lied „Rotlackiert mit schwarzen Punkten, saß ein Käfer auf dem Blatt“ ein, in dem zwar von Marienkäfern, aber immerhin auch von Lack die Rede war. Aber da Marienkäfer ja auch Glücksbringer sind, klappte es auch mit der Aufnahme in die Chorklasse als eines von sechs Mädchen. Die Zahl der Jungen war natürlich viel höher. Ich glaube, es waren etliche über zwanzig, denn insgesamt umfassten die Klassen in diesen Jahren durchaus fast 30 Schüler. Man kann sich also vorstellen, dass die Aula in den Chorproben, die separat für die Jungen und Mädchen durchgeführt wurden, immer gut gefüllt war. Überhaupt erinnere ich mich an ein Schulgebäude, aus dem oft Klänge zu hören waren, was mir auch heute immer noch gefällt, wenn ich an Opernhäusern oder anderen Gebäuden vorbei gehe, aus denen Musik, gerne auch Probenmusik, auf die Straße tönt.
Geprobt wurde viel: Dienstag nachmittags zwei Stunden, am Donnerstag gab es dann noch die Kammerchorproben für besonders talentierte Sängerinnen, die auch mit Stimmbildungsübungen verbunden waren. Und dann gab es vor großen Konzerten natürlich auch die Extra-Proben und, nicht zu vergessen, verschiedene Chorlager mit beiden Chören zusammen. Alles war immer bestens geplant, und es empfahl sich, die detaillierten Ormig-Aushänge im Glaskasten im Flur vor der Aula auch immer regelmäßig zu lesen.
Natürlich hatten wir auch immer eine Menge Spaß, vor allem während der Chorlager. Ich kann erst heute im Nachhinein richtig ermessen, was es allerdings für einen Kraftakt für Dorothea Köhler und ihr Team bedeutet haben muss, zwei Chöre mit über 30 bzw. über 80 und mehr Sängerinnen und Sängern mehrere Tage abwechselnd zu unterrichten. Da wurde natürlich Disziplin und Konzentration eingefordert, was übrigens auch heute noch eine der grundlegenden Anforderungen in einem Probenbetrieb ist, der von Dorothea Köhler verantwortet wird.
Ich erlebte auf diese Weise eine Schulzeit, die auch im Freizeitbereich sehr strukturiert, aber vor allem abwechslungsreich war. Wir traten bei Schulkonzerten mit der Kantate „König Midas“ von Kurt Schwaen im Steintor-Varieté auf, sangen im Zoo einen Zyklus von Tierliedern oder waren in der Aula der Martin-Luther-Universität zu hören. Mit der Zeit kamen auch immer anspruchsvollere Aufgaben auf die Chöre zu, denn Dorothea Köhler verstand es, die Chöre auch bei den alljährlich in Halle stattfindenden Händelfestspielen zu verankern. Da gab es dann gemeinsame Proben mit der halleschen Philharmonie unter Leitung von Generalmusikdirektor Olaf Koch mit großen Chorproben in der Eissporthalle.
(Foto: Stephan Brosch? - aus der Festschrift der Halleschen Philharmonie und der August-Hermann-Francke-Schule: 860 Jahre Stadtsingechor Halle, 15 Jahre Mädchenchor)
Uns Kinder freuten natürlich besonders die schönen Provianttüten, die neben anderen Dingen auch schon mal eine Apfelsine oder Banane, eine Schokomilch oder gesüßte Kondensmilch enthielten. Überhaupt, mit der Verpflegung war es mitunter so eine Sache: als der Chor die VIII. Sinfonie von Geißler im Klubhaus der Gewerkschaften aufführte, gab es vorher (besser wäre wohl nachher gewesen), Pfirsichtorte mit Schlagsahne. In Kombination mit dem Scheinwerferlicht, dem langen Auftritt und den für dieses Stück charakteristischen Dissonanzen, war es das einzige Mal, dass ich während des Auftritts von der Bühne musste, weil mir schlecht wurde. Immerhin fiel ich nicht in einen Orchestergraben, was einem Mitschüler von mir einmal passierte. Also, Herzklopfen kostenlos war immer auch angesagt...
Besonders gerne erinnere ich mich auch an die Möglichkeit, an den Aufführungen der Oper Turandot von Puccini an der halleschen Oper teilzunehmen. Wir sangen im Hintergrund der Bühne den „Mondchor“ und hörten so auch unzählige Male das berühmte „Nessun dorma“, das ich heute, ganz gleich, wo ich es höre, automatisch mit der Atmosphäre hinter den Kulissen des Opernhauses in Halle verbinde.
Auch der Mädchenchor nahm an Konzertreisen teil: Während meiner Chorjahre führten sie nach Mühlhausen zur Aufführung der Bauernkriegskantate von Wolfgang Hohensee, nach Berlin in den Palast der Republik, wo wir die Chorfantasie von Beethoven sangen, und nach Karlovy Vary (Karlsbad).
Rückblickend kann ich sagen, dass es eine sehr intensive und schöne Zeit war, die für mich dann mit dem Wechsel an die EOS AHF im Jahr 1977, wo ich in eine Neusprachenklasse kam, ab der 9. Klasse zu Ende ging.
Allerdings habe ich dann viele Jahre später mir nochmals die Zeit genommen, um im kammerchor cantamus halle bei Dorothea Köhler wieder mitzusingen. Ich schätze ihre professionelle Arbeit und ihre Leidenschaft für die Chormusik, die auch Freizeitsänger zu niveauvollen Leistungen bringt, auch wenn es bei allen anderen beruflichen Verpflichtungen nicht immer ganz einfach ist, das Chorsingen in den Alltag zu integrieren. Dennoch, die Musik ist immer noch eine mich sehr bereichernde und entspannende Erfahrung und ich möchte an dieser Stelle auch gerne und ausdrücklich Dorothea Köhler dafür danken, dass sie die Welt der Musik, vor allem der aktiven Ausübung, für mich zu unterschiedlichen Zeiten meines Lebens immer wieder angeregt, gefördert und geprägt hat.
Beruflich bin ich übrigens inzwischen in München an der Bayerischen Staatsbibliothek[i] tätig – und dort befindet sich nicht nur die größte Sammlung musikwissenschaftlicher Literatur in Deutschland, sondern auch zahlreiche Nachlässe bedeutender deutscher Komponisten. Sie finden dort aber auch den nationalen Fachinformationsdienst Musikwissenschaft, der durch eine meiner Lieblings-Fachabteilungen in dem großen Haus zur Verfügung gestellt wird. Die zahlreichen Projekte der hochengagierten Musik-Abteilung, zuletzt ein großer Chorbuchkongress, sind mir, und das mag auch an meiner Zeit in der halleschen Chorklasse in der Francke-Schule liegen, immer besonders wichtig.
Dorothea Sommer, im August 2016
Nicht uninteressant wäre eine Erhebung, in welchem Umfang Absolventen des Mädchen- und des Stadtsingechores Musikberufe ergriffen haben.
Stichwort „Chorkleidung“: Das Konzertfoto aus Karlovy Vary zeigt einen exquisit gekleideten Mädchenchor. Mit dem Bezug auf die Artikelüberschrift „Parallelchor“ ergab sich logischerweise auch eine „Entwicklungs- Geschichte“ in Sachen Chorkleidung: Die Jungen bekamen (nach knielangen, hellgrau-blauen Zellwollattraktionen) knitterfreie, gesponsert gefertigte Hosen aus NVA-Offiziersuniformstoff, ergänzt mit weißem Hemd und Fliege. Die Mädchen? Pionierkleidung kam für mich (in einem Chorkonzert) nicht in Frage. Also griffen wir zur Selbsthilfe: Die „Reste“ des Hosenstoffes verwandelte eine unserer „Chormütter“, Frau Schneckenburger, von Beruf Schneiderin[i], in sehr attraktive Chor-Miniröcke. Genäht wurden sie in einer schier unübersehbaren Zahl in allen Größen von Frau Schneckenburger, Chorinspektor Wolfgang Köhler und mir. Die kleinen farbigen Anstecktücher belebten das Bild, und ich hatte die passende Bluse dazu. Später gab es dann phantastische Plisseeröcke und passende Blusen für den Mädchenchor.
[i] Sohn Ralf war Mitglied im Stadtsingechor, später war er für eine Reihe von Jahren Chorinspektor
Stichwort „Elternhäuser“: Geschwisterkinder gab es viele in unseren beiden Chören, und so arbeitete man auch im Chorelternaktiv fast immer für beide Ensembles. Das Betätigungsfeld war umfangreich. Quartiere für einen Gastsänger, Aufsicht bei Konzerten usw. - selbstverständlich. Hier gab es auch schon wieder „Familientraditionen“. Vor allem aber mussten die SängerInnen motiviert werden, Schule, Chor und weitere angenommene Verpflichtungen auch kontinuierlich und erfolgreich zu bewältigen.
Wir leisteten uns allerdings auch extraordinäre Vergnügungen: Die Chöre hatten ihre Chorfeste (in meinem Kalender von 1975 fand ich z.B. beim 4. April: Chorfest im Volkspark mit der „Gruppe Hallensia“), und für einen Chorelternball im Interhotel brauchte man nicht lange zu werben.
Als unser Sohn[i] in den Stadtsingechor aufgenommen wurde, war uns das eine große Freude. Eine Freude solcher Art bedeutet allerdings auch: mitgefangen – mitgehangen. Nun wurde alles anders. Die im jeweiligen Chorjahresplan fixierten und auch manchmal unverhofft anfallenden Termine bildeten das Spalier, um das sich die Familienvorhaben herumrankten. Unser Spalier war besonders dicht berankt, denn etwas später kam unsere jüngste Tochter zum Mädchenchor. Dieser hatte auch ein anspruchsvolles Repertoire und musste gleichfalls kein geringes Maß an Konzerten, anderen Aufführungen, Mitwirkung an Theatervorstellungen pp. bestreiten. Dazu gehörte die entsprechende Ausbildung und kamen die mehrmals in der Woche stattfindenden festen Proben. Da galt es, die Ranken kunstvoll zu legen, damit die Familie nicht zu kurz kam, zu der noch zwei weitere Kinder gehörten. Daneben gab es die völlig unkünstlerischen Dinge, die alle erledigt werden wollten: eine Badewanne voll Kinderbowle für das Chorfest herstellen, Gastgeschenke besorgen, Fenstervorhänge für den Singesaal nähen, Sänger von Gastkinderchören beherbergen, zum Chorelternfasching den Saal der „Schorre“ mit Papiergirlanden schmücken, in Chorlagern fürs leibliche Wohl sorgen, kaputtgegangene Reißverschlüsse wieder gangbar machen und so weiter und so fort.
Von den erreichbaren Auftritten beider Chöre wollten wir natürlich auch keinen verpassen und haben sie immer alle zusammen besucht.
Inzwischen sind viele Jahre vergangen, und ich frage mich: Wie haben wir das gemacht? Die Tage waren doch auch nicht länger als heute? Aber dass wir es gemacht und geschafft haben, erfüllt mich immer noch mit tiefer Zufriedenheit und ein bisschen Stolz. Das war unser kleiner Beitrag zu den zahlreichen schönen Erfolgen, die der Knaben- und der Mädchenchor unter Frau Köhlers Leitung erringen konnten. Der Löwenanteil an Einsatz und Leistung lag freilich bei ihr und vor allem bei den Kindern, die das alles neben der Bewältigung ihrer schulischen und sonstigen Pflichten erreicht haben. Sie verdienen aufrichtigen Respekt. Sie mussten viel geben in dieser Zeit, haben dafür aber auch Einmaliges erlebt, das sicher immer mal wieder in der Erinnerung aufklingt, und nicht wenige werden die im Chor erprobte Fähigkeit, mit Ausdauer etwas Erstrebtes zu erreichen und die Freude über das Erreichte zu genießen, mit in ihr Leben hinaus genommen haben.
Christel Gebhardt, damals Chorelternaktivmitglied[ii]
31.08.2016
[i] Axel Gebhardt, Komponist, Pianist, Korrepetitor beim Stadtsingechor zu Halle
[ii] von 1971 bis 1990
Wie wichtig mir die Arbeit mit dem Mädchenchor und wie eng die Verflechtungen beider Chöre miteinander waren, belegt auch die Einbeziehung von drei Absolventinnen des Mädchenchores in die Produktion der CD „Halle, alte Musenstadt“, Klangfarben & Karrieren, Absolventen des Stadtsingechores Halle- Dorothea Köhler – cantamus & Freunde“[i], die 2014 herauskam als ein erstes Geschenk an den jetzt 900jährigen Stadtsingechor zu Halle. Die Einspielungen von Kirstin Hasselmann, Bettina Kallausch und Almuth Schulz sind auf der CD ein besonderes Bonbon.
[i] Erhältlich u.a. in halleschen Buchhandlungen und bei Amazon
Mädchenchor der August–Hermann-Francke-Schule
Erinnerungen: Kirstin Hasselmann
Alles schon so lange her, hab aber nur gute Erinnerungen an die Zeit im Mädchenchor. Ich glaube, ich war von 1972– 1981 mit dabei. Jedenfalls tat mir der Abschied sehr weh, weil ich mein Abitur absolvieren musste und nicht mehr genug Zeit fand für den Mädchenchor. Da flossen wohl viele Tränen meinerseits. Zu dem Zeitpunkt nahm ich schon Gesangsunterricht und wusste, dass ich Opernsängerin werden wollte. Was ja auch geklappt hat, zum Glück.
An einige Projekte des Chores kann ich mich noch sehr gut erinnern:
- Das waren die Händelfestspiele alljährlich, bei denen wir mit dem Stadtsingechor Halle, also mit den Jungs zusammen auftreten durften. Die Atmosphäre in der Galgenbergschlucht und die langen Proben mit dem Händelfestspielorchester Halle und natürlich die Solisten habe ich genossen.
- Die Kantate vom „König Midas“, wo ich erst im Chor sang und dann den König Midas übernehmen durfte. Das alles im Steintor –Varieté, viele, viele Male in Schulkonzerten.
- Eine Konzertreise nach Anklam ist mir im Gedächtnis. Da hatte ich sowas wie Reisefieber und stieg eigentlich krank in den Bus. Aber als wir ankamen, war wieder alles im Lot.
- Und nicht zu vergessen die eigenen Konzerte in der Konzerthalle Ulrichskirche und in der Aula der Universität mit unseren schönen Chorkleidern, hellblau/lila/gelb-geblümt war der Stoff, Buse und Plisseerock, für die Kleinen knielang und für die Großen lang. Schick!
Natürlich hab ich mich sehr gefreut, als ich nach vielen Jahren 2010 die Einladung von Dorothea Köhler bekam, in der Konzerthalle mit ihrem jetzigen Chor in der 26. „Kunst-Stunde“ wieder dort zu singen[i]. Seitdem stehen wir wieder im Kontakt, das ist toll; zur CD „Halle, alte Musenstadt“ habe ich eine Händelarie beigesteuert und beim Konzert mit Ehemaligen im März 2017 bin ich ganz bestimmt dabei. Ob wir etwas unserer „alten Zeit“ singen?
E-Mail Köhler an Kirstin Hasselmann:
Liebe Kirstin, Dank für Deine Rückantwort, aber Bescheidenheit kann man auch übertreiben! Ich bin glücklich, bei Dir mit dem gemeinsamen Singen im Mädchenchor ein Baustein zu Deiner wunderbaren Musikerkarriere gewesen zu sein. Du stammtest ja schon „aus dem Opernhaus“ mit Deinem in Halle gefeierten „Papageno“–Vater Werner Hasselmann. Also musste eigentlich alles so kommen, na ja, konnte … und kam. Deine Vita liest sich gut.
Bitte, beantworte mir noch zusätzlich drei Fragen – für alle, die Dich noch nicht kennen:
* Gibt es für Dich eine Lieblingspartie im Koloraturfach?
Ich habe sehr gern die Gilda aus dem „Rigoletto“ und den Gepopo aus „Le Grand Makabre“ von Ligeti gesungen. Zurzeit singe ich die Fiordiligi in „Cosi fan tutte“ am liebsten.
* Du bist Prinzipalin der „Hauptstadtoper“, der „kleinsten Opernbühne Berlins“ - ein herausfordernder und schalkhafter Name. Was will und macht die Hauptstadtoper?
Oh, da mache ich es mal kurz mit der Erklärung: „Bei uns brauchen Sie kein Opernglas! Unsere Berufung ist es, Oper & Operette mit hoher Klangqualität, trotz weniger Mittel und kleiner Räume, mit großer Wirkung zu präsentieren. Dieses Abenteuer beflügelt unsere Kreativität. Wir sind ein Ort, in dem der Einstieg in das Genre leicht gemacht wird. Und wir bieten denen, die schon alles kennen, neue Perspektiven. Unser Repertoire reicht vom musikalischen Kabarett, Liederabend über die Operette bis hin zur Oper.
* Wie bist Du zum Inszenieren gekommen?
Der Wunsch zu inszeniere, ist mit der Erfahrung auf den Bühnen Deutschlands kontinuierlich gewachsen. Musikalische Szenen zum Leben zu erwecken und dem Zuschauer Anregung für eigene Gedanken zu geben, fasziniert mich. Meine Kreativität findet da zurzeit kein Ende. Das ist ein tolles Gefühl, und ich bin sehr dankbar, dass ich mit „Hauptstadtoper“ die Möglichkeit habe, diese Kreativität auszuleben. Denn Frauen in diesem Beruf haben es in der Theaterwelt nicht leicht!
Ich lade den geneigten Leser zur 45. Kunst-Stunde ein, die am 18. März 2017 in der Konzerthalle Ulrichskirche – dem Noch-„Tatort“ für „Kunst-Stunden bei cantamus“ stattfinden soll. Der Titel „Messen, Motetten, Madrigale & Merkwürdiges“ könnte Sie doch neugierig machen![i] Auch viele der Mitautoren des vorliegenden Artikels werden Sie dann sehen und hören.
[i] Siehe auch www.cantamus-halle.de
Almuth Schulz, geb. Knappe
Ich sang von 1973-1981 im Mädchenchor der AHF. Erinnern kann ich mich an den ersten großen Auftritt, bei dem ich dabei war: „Besuch im Zoo“, eine unterhaltsame Kinderkantate von Hans Sandig mit Liedern, die mir zum Teil noch heute im Ohr sind. „Ein Elefant in fernem Land…, ...sogar am Nil das Krokodil ist unzufrieden…, … es grunzt XX und quiekt XX, …., KÖSTLICH!!
Kürzlich habe ich mir die Noten besorgt und spiele nun manche Melodien für meine Tanzkinder als Korrepetitorin beim Heinrich-Schütz-Konservatorium in Dresden. Für den (Volks)-Liederschatz, den ich im Mädchenchor erworben habe, bin ich sehr dankbar. Es gibt einzelne Lieder, die mich irgendwie an die Kinderzeit im Singesaal erinnern, z.B. „Zogen einst fünf wilde Schwäne“ oder „Kein Feuer, keine Kohle“. Das Singen ist mir bis heute sehr wichtig und wertvoll und ich unterrichtete mit viel Herzblut „Schulpraktisches Klavierspiel“ an der Dresdener Musikhochschule, damit heutige Musiklehrer gut Lieder begleiten lernen. Dass ich Liedmelodien in meinen Kompositionen und Improvisationen verwende, hat zum Teil sicher auch Wurzeln in dieser Zeit. Spätere Jahre mit z. B. Auftritten im Palast der Republik haben sich allerdings nicht so positiv in mein Gedächtnis gegraben. Stimmbildung, Notenlehre, manche Chorliteratur haben mir vielleicht den Weg zum Musikstudium erleichtert - und diesen Weg habe ich bis heute noch nie bereut.[i]
[i] Almuth Schulz studierte Kirchenmusik und Jazzpiano. Seit beinahe 20 Jahren ist sie als Pianistin, Komponistin und Dozentin im In- und Ausland tätig. Sie ist künstlerische Leiterin der seit 2002 stattfindenden Nachtschwärmer-Meditationen in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche und arbeitet in vielfältigen Projekten mit Musikern, Tänzern, Lyrikern und ihrem Mann Steffen Schulz (Kirchenclown Leo) zusammen. Sie komponiert Musik für ihre Konzerte aber auch für Bühne, Video, Hörbuch und Tanz. 2009 erschien ihre Solo-CD „alles hat seine zeit“ , 2011 die Weihnachts-CD „child is born“ und 2015 „ich hab die nacht geträumet“ mit Juliane Gilbert (PIANOCELLO).
Almuth Schulz lebt seit 2008 wieder in Halle (Saale).
Alles kriegt durch Jungs mehr „Pfiff“, oder „Ungemach im Scheinwerferlicht“
In der zweiten Klasse, so erinnere ich mich, erhielten wir in der Wittekindschule Besuch von Erwachsenen, die nach Jungs für den Stadtsingechor Ausschau hielten. Um Nachwuchs für den Mädchenchor musste man sich offensichtlich nicht sorgen. Meine Eltern schickten mich auf die „Francke“, weil bereits meine ältere Schwester Susanne Schülerin in einer der legendären Chorklassen war. Zu meiner Klasse schließlich gehörte auch ohne Werbung ein ganzer Pulk besonders großartiger Mädels. Wir hatten Esprit, Phantasie und einen großen Freiheitsdrang. Wir waren richtige Stadtgören. Unser gemeinsamer Weg vom Francke- zum Marktplatz (dann trennten sich die Wege in diverse Bus- und Straßenbahnlinien) dauerte Stunden. Zwischen Schule und Chor spielten wir auf den umliegenden, seinerzeit ziemlich verkommenen Spielplätzen. Wir waren Piraten auf Segelschiffen oder arme Kinder, die sich vor Hexen verstecken mussten.
Wenn ich mein Tagebuch aus den Jahren 1977 bis 1979 (6. bis 8. Klasse) durchblättere, kommen mir aber Zweifel, ob wir uns nur aus musikalischen Gründen in den Chorklassen tummelten. Viel eher schien uns die Frage zu beschäftigen: wer geht hier eigentlich mit wem. Die Angebeteten waren Jungs aus der Chorklasse zwei Jahre über uns. Selbst die Frage: wer hat wen (Übersetzung: wer würde gern mit wem gehen), war Gegenstand eifriger Debatten. Wie niedlich wir doch waren! „Unser Freundschaftsverhältnis mit der 10c ist übrigens ganz schön abgeflaut.“, kommentiere ich am 5. Dezember 1978. „Trotzdem können wir uns gar nicht denken, wie es an unserer Schule sein wird, wenn sie raus sind. Irgendwie hat man ein richtiges beruhigendes Gefühl, wenn man die 10c im Schulhaus sieht. Man braucht bloß einen Anorakzipfel von einem zu sehen, schon weiß man, wer derjenige ist, so genau kennen wir sie. Allerdings vom Charakter nur sehr wenig.“
Ein paar drollige Situationen aus dem Chorleben möchte ich gerne im O-Ton meines Tagebuchs zum Besten geben. 31. Januar 1978: „Am kommenden Wochenende haben wir wegen der 9. Sinfonie von Beethoven Proben. Darauf freue ich mich schon sehr, denn der Jungs- sowie der Männerchor singen auch mit. Wir hatten schon zweimal Gesamtprobe. Das erstemal hat am meisten gefetzt. Da saßen nämlich hinter mir Gulle, Olaf und Lui. Da habe ich mich mächtig amüsiert. Hoffentlich wird das kommende Wochenende auch so schön.“
7. Februar 1978: „Das so erwartete Wochenende kam und ging. Es hat sich nichts weiter ereignet. Außer am Sonnabend, da geschah folgendes: Die eine Stelle aus der IX, die so geht: „Wir betreten dein Heiligtum“ konnte der Alt mal wieder nicht. Frau Köhler kam zu uns hinter, um sich den Alt bei der Stelle näher anzuhören. Sie sagte, daß der I. Alt es noch weniger könnte und ließ uns, den II. Alt, singen. Dann sollten mal bloß noch wir Mädchen singen, da es die Jungen auch noch nicht konnten und dann sollte bloß noch ich singen, weil ich es angeblich bloß alleine könnte. Dreimal mußte ich dieselbe Stelle vor dem ganzen Mädchen-, Jungs- und Männerchor singen. Schrecklich.“
16. März 1978, Nachtrag zu den letzten Wochen, unter anderem eine Schilderung zu einem Auftritt in Berlin im Palast der Republik:
„Am Abend kam dann endlich der Auftritt. Der Saal im Palast war gekrachte voll. Auf der Bühne waren wir ungefähr 500 Sänger. Als Erich H. kam, wurde fürchterlich viel geklatscht. Dann kamen viele Reden und mitten in der Rede Honeckers mußte mein Hintermann kotzen. Alli und ich erfuhren das erst später: Als ich mich etwas bewegte, stupste mich einer an und da sah ich die Bescherung. Wir hätten am liebsten mitten in der Rede laut aufprusten können, aber wir mussten es gewaltig unterdrücken. Bei der IX. Sinfonie mussten wir uns dann auch noch, wie vorgesehen, etwas weiter hinten hinstellen und nun war die Ko… allen sichtbar. Und nicht nur das, sie wurde auch noch von Scheinwerfern beleuchtet, weil da sich die Solisten hinstellen mußten. Bis dahin ging es noch gut, aber als die Solisten im Beifall abmarschierten und wieder auftraten, stand der Baß genau davor. Er bewegte sich etwas rückwärts und stand ganz knapp davor. Hätten wir ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, er wäre bestimmt hineingelatscht und vielleicht noch ausgerutscht.“
In unserer Klasse waren viele gute Schüler, die Hälfte entstammte einem religiösen Elternhaus. Unsere Klassenlehrerin war sehr staatstreu, streng und stand uns misstrauisch gegenüber. Dass wir in unserer Naivität den Klassenfasching im Pfarrhaus meiner Freundin Almuth feiern wollten, schlug dem Fass den Boden aus. Endlose Debatten und Aussprachen mit uns, den Eltern und der Direktorin waren die Folge. Eigentlich hätten 14 von uns auf die EOS gewollt, aber auch bei uns durften nur drei Schüler delegiert werden. Ich war nicht darunter, obwohl ich zum Zeitpunkt des entscheidenden Zeugnisses sogar die Klassenbeste war. Man konnte mich politisch nicht eindeutig zuordnen, war die Erklärung. Denn zum Konfirmanden-Unterricht der Ulrichsgemeinde ging ich und ließ mich dann aber doch nicht taufen und konfirmieren. Nach zweimaligen Antrag und wiederholter Beschwerde meines Vaters habe ich es doch noch auf die EOS geschafft. Das Singen blieb fürs Leben. Im Background Chor von Knappes Jazzband, in einem Singeklub an der EOS August Hermann Francke, im Jazzchor „In tune“, im Kammerchor „Musik Diagonal“. Ich habe schließlich die Musik auch zu meinem Beruf gemacht, habe Musikwissenschaft an der Alma Mater hallensis studiert und arbeite seit mehr als 25 Jahren im Händel-Haus in Halle. Zwei Dinge, die ich in den verschiedenen Chören kennengelernt habe: Singen verbindet und Anstrengung kann auch Spaß machen.
Christiane Barth, geb. Kull
1982 - Warum ich den Mädchenchor aus der Hand gegeben habe
Meine großen Pläne mit dem Stadtsingechor wollten verwirklicht werden. Das Leistungsniveau war hoch, beide Chöre hatten einen gefüllten Konzertkalender, alle Pläne liefen nach dem „Konzertjahr“. In große philharmonische Projekte waren beide grundsätzlich gemeinsam eingebunden. Aber mehr und mehr wurde es eine Frage der Kräfte und der Zeit für mich. Es ging nicht mehr, zweispurig zu fahren, ohne Abstriche machen zu müssen. Auslöser für den Ausstieg aus dem Mädchenchor war letztendlich, dass nach endlosen „Wartejahren“ das Ministerium für Volksbildung für den Stadtsingechor reine Knabenklassen genehmigte. Das bedeutete, die Arbeitsweise total umzustellen, um die neuen Möglichkeiten der Verquickung von Schulunterricht und Chorarbeit ausschöpfen und die dadurch gewonnenen Freiräume für den Stadtsingechor zur Arbeit an den ganz großen Werken effektiv nutzen zu können.
Lösung?
Variante A: Der Mädchenchor wird aufgelöst.
Variante B: Erhalt des Chores, auf freiwilliger Basis gemeinsame Umschulung der Mitglieder des Mädchenchores und eigenständige Weiterführung der Arbeit unter der Leitung meines damaligen Stellvertreters Berthold Schöps.
Ich sah und sehe es als eine Wertschätzung durch die Abteilung Volksbildung, dass man den Chor nicht aufgelöst hat, sondern dass an einer anderen Schule gleiche Bedingungen geschaffen wurden für eine erfolgreiche Weiterarbeit dieses leistungsfähigen Ensembles.
Wie würde man wohl heute auf so einen Antrag reagieren?
Wie es weiterging? Das soll in einem weiteren Beitrag über den Mädchenchor der August-Hermann-Francke-Schule im nächsten Jahr dargestellt werden.
Ina Gebhardt
Meine Zeit im Mädchenchor der AHF 1977-1985
Erinnerungssplitter an Konzerte
Schülerkonzerte u.a. mit „König Midas“ - Zoofest mit „Besuch im Zoo“ von Hans
Sandig (und Band) - Partner beim Start des Kinderchorfestivals „Fröhlich sein und singen“ - Staatsoper Berlin zusammen mit dem Stadtsingechor:
„Erkundungen“ (Uraufführung) - Palast der Republik: Händels
„Friedensode“ (mit anderen halleschen Chören) - Abschlusskonzerte der Händelfestspiele in der Galgenbergschlucht und in der Eissporthalle mit hunderten
Sängern des Bezirkes Halle – eigene Weihnachtskonzerte in der Ulrichskirche und der Uni-Aula im Löwengebäude und im Klubhaus „Waggonbau Ammendorf“ - Chorfahrten nach Litoměřice, Karlovy Vary
Besonderheiten im Chorleben
Weihnachtsrevue im Steintorvarieté als „Singvögel aus Halle“ bei „Hoppel Poppel und der blaue Koffer“ mit Greti Emmer: sehr, sehr viele Vorstellungen (war gut für’s Taschengeld!),
Engagement an der Oper Halle: Ballett „Erschaffung der Welt“: Mädchenchor als „Bestandteil des Orchesters“ auf der Seitenbühne – spannend war: Um den Dirigenten im Graben zu sehen, hatten wir einen Monitor, der auch mal ausfiel und Frau Köhler dann als „Mittler“ einspringen musste.
Oper „Hänsel und Gretel“ als Pfefferkuchenkinder, Engel und „Gespensterarme“
Die Premiere werde ich nie vergessen. Das muss ich erzählen: Anne und ich sollten die Ofentür öffnen und die gebratene Papphexe aus dem Ofen holen, um sie dann mit den anderen zu bejubeln („…Juchei, nun ist die Hexe tot …“). Dumm nur, dass nichts im Ofen lag und die Musik natürlich weiterspielte! (zweimal sollten wir ziehen, beim dritten Mal sollte sie draußen sein). Horst Krüger (die echte Hexe) hatte vergessen, die Papphexe hinten hineinzuschieben, als er in den Ofen geschupst wurde. Das sollte ja nun der Höhepunkt des ganzen Stückes sein! Was nun machen…? Ich tanzte also singend irgendwie von der Bühnenmitte (Standort Ofen) zur Seite, um der Inspizientin Bescheid zu sagen. Anne tanzte gleichzeitig um den Ofen herum, um die „Hexe“ zu suchen (die musste ja irgendwo in der Nähe sein). Die anderen zogen weiter „nichts“ heraus, wie die Musik es verlangte… Entsetzen hinter der Bühne bei den Profis → Winkzeichen zu Anne, wo die Hexe lag → unter dem Ofen… Anne schob die Hexe auf den Punkt hinten rein, die andern zogen sie vorne wieder raus und es hat keiner im Publikum etwas gemerkt. Auf 3 war die Hexe draußen!
Wie wir das alles in der extrem kurzen Zeit geschafft haben, bleibt ein Rätsel.
Unsere Chorklasse war eine Besonderheit: In der 3.Klasse waren wir 2 Mädchen und 19 Jungs, später kamen noch 4 Mädchen dazu… An spannenden Choraufgaben mit und ohne Jungs mangelte es nie.
1982 Chorleiterwechsel - Chorkleidungswechsel - Chorimagewechsel
Ina Gebhardt
August 2016
Dieses Schlusswort habe ich mit Vergnügen einem Mitglied der Chor-Familie Gebhardt überlassen.